Es war ein
kalter Morgen, der sich über den Ort legte. Am Fuße der Laterne,
pickte eine junge Amsel auf dem Boden herum. Vor ihr ragte ein
großer, glatt polierter Grabstein in den Himmel. Seine Kanten waren
mit feinen Mustern bestückt, in dessen Ritzen sich im Laufe der Zeit
Staub und Dreck angesammelt hatte.


Etwas großes
huschte durch das Gras. Bevor die Amsel den Kopf danach drehen
konnte, stürzte sich die Gestalt auf sie und landete wieder so
leise, wie es gekommen war, auf den Pfoten. Das Tier mit dem hellen
Fell, hob die Schnauze in den Himmel und murmelte: „ Und so ist es
gut.“

Der Kater
tänzelte lautlos durch die Gänge des Ortes, bis zu einem besonders
hohem Grabstein, der sich elegant um sich selbst drehte und in einer
etwas abgestumpften Spitze endete. Ein älterer kleiner Kater wartet
bereits auf ihn.

Sein Fell
war so rötlich wie der Sonnenuntergang, und eine kleine aber tiefe
Narbe zeichnete sich in seinem linken Mundwinkel ab.
Die beiden
Katzen setzten sich vor den mächtigen Felsen, legten die Amsel auf
den Boden und senkten die Köpfe.

„ Wir
danken euch, euch, die das Leben tapfer gemeistert haben, für unser
Leben, dass wir euch schenken.“ sprach der ältere Kater mit einem
dunklen Funkeln in den grünen Augen.

Sein
Gefährte nickte knapp und sie erhoben sich langsam. Erst nachdem sie
etwas weiter weg gegangen waren, erhob der junge Kater die Stimme: „
Gestern Nacht, haben sie es wieder gewagt die Grenze zu übertreten.“

„ Ich
weiß.“ sagte der rötliche Kater trocken, ohne dem Jüngeren in
die Augen zu sehen.

„ Feuerreich,
und ich konnten einige fangen und ausschalten, die anderen konnten
entkommen.“

Ein
Lichtstrahl brach für einen kurzen Moment durch die Wolken und ließ
das hellgraue Fell des Tieres leuchten.

„Äußerst
bedauerlich.“ knurrte sein Begleiter.




„ Wo waren
Aschenwind und Schleh zu der Zeit?“

„ Ich
glaube sie waren an den westlichen Grenzen beschäftigt.“
berichtete der graue Kater.


Die Zwei
folgten dem Schotterweg an niedrigen, zerfallenen Grabsteinen vorbei,
an hohen majestätischen, überwachsenen und verschiedenfarbigen bis
zu einer Gruppe Sträucher die einen kleinen Platz umhüllten. Sie
brachen durch die Hecke. In den Schatten der Blätter lagen Katzen
die vor sich hin dösten oder sich das Fell wuschen. Ein laues
Lüftchen zog an den dünnen Ästen, die aneinander schlugen und
ihren Geruch verbreiteten.


„ Bachstein,
dein Schüler wartet bereits auf dich.“


Der Kater
deutete mit der Schwanzspitze in die Ferne, „ er sitzt bei eurem
Treffpunkt und wartet.“

„ Danke,
Fuchs.“ sagte Bachstein knapp und ging rasch. Sein Schüler wartete
in der Nähe des Lagers auf ihn, an einer kleinen Kreuzung. Es war
ein sehr kleiner Kater. Rotbraunes Fell und große blaue Augen. Er
war noch sehr jung und als er Bachstein sah fiepste er erfreut: „
Bachstein!“

„ Wie lang
wartest du schon, Ulmenauge?“ fragte ihn sein Mentor.

„Noch
nicht so lange.“

„ Gut. Ich
musste mit Fuchs noch das Ritual des Dankes durchführen.“

In dem
Moment sprang Ulmenauge auf die Beine und mauzte aufgeregt: „ Oh!
Über das Ritual des Dankes kann ich dir was erzählen!“

„Dann
erzähl mal, was es damit auf sich hat.“ brummte Bachstein leicht
amüsiert.

„ Es ist
das Ritual das durchgeführt werden muss, wenn Schattenleben getötet
wurden und Katzen daraufhin bei den Geistern um Nachsicht und
Vergebung bitten müssen. Dazu muss man ihnen eine Opfergabe bringen,
erst dann werden die Geister einem verzeihen.“ Ulmenauges Stimme
überschlug sich manchmal als er seinem Mentor erzählte was er sich
gemerkt hatte. „ Und was für eine Opfergabe muss es sein?“
fragte Bachstein ihn genauer.

„Ein
Vogel. Als Zeichen der Freiheit und des Lebens.“ antwortete das
Kätzchen.


„ Gut. Das
hast du dir gut gemerkt, Ulmenauge.“ lobte der Kater ihn. Ohne
weitere Worte ging er vor. Die Beiden liefen den Schotterweg entlang,
leicht bergauf. Auf dem Hügel wuchsen kleine Bäume und Büsche. Nur
wenige eher kleine verkümmerte waren hier errichtet worden. Doch
einer fiel Ulmenauge ins Auge. Er lag versteckt im Schatten einer
Tanne. Er war klein und bereits etwas zerfallen, die Inschriften die
in ihn eingemeißelt waren, waren kaum noch zu lesen.
Bachstein
blieb stehen: „ Was spürst du?“


Ulmenauge
schloss die Augen und atmete tief ein.


Als er sie
nach einiger Zeit wieder öffnete keuchte er: „ Schattenleben!“

Sein Mentor
sah in die Ferne: „ Feuerreich und ich haben sie von den Grenzen
bis hier her verfolgt. In der Sackgasse im Nordwesten haben wir
einige vernichten können.“

„ War das
gestern?“


Bachstein
nickte stumm. „ Feuerreich hat einige Verletzungen davon getragen
oder?“ fragte Ulmenauge mit leiser Stimme. Sie klang jedoch nicht
verängstigt, wie sein Mentor es eher erwartet hätte. Eher trocken
aber auch etwas verächtlich.

„ Ich kann
sein Blut riechen.“

„ Hast du
je einem Schattenleben in die Augen gesehen?“ wollte Bachstein
wissen. Das Kätzchen schüttelte sanft den Kopf.

„ Aber ich
habe gehört ihr Blick soll einem die Seele gefrieren lassen.“

Bachstein
fauchte leise. Ihm sträubte sich das Fell und er gab Ulmenauge das
Zeichen weiter zu gehen.